Archiv: Geschichte und Gedenken
Zwischenergebnisse der thematischen Werkstatt zum Thema Geschichte und Gedenken am 08.06.2015 in der Zollgarage, Tempelhofer Flughafen, Berlin
Zusammenfassung der Ergebnisse
I. Schutzziele des ThFG
§ 3 THF-G: Gegenstand des Schutzes und der Erhaltung
(4) Die kulturgeschichtliche Bedeutung des Tempelhofer Feldes besteht unabhängig von einem förmlichen Denkmalschutz und bezieht sich auf alle Landschaftsbestandteile, die von der Geschichte des Gebietes zeugen. Die Gesamtheit der ehemaligen Flugbetriebsflächen und sonstigen Anlagen, mit ihrem Bezug zum Flughafengebäude, ergibt ein in seinem Charakter einmaliges und folglich erhaltenswertes Ensemble.
(5) Das Tempelhofer Feld gibt Anlass, der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken, da Teile des Gebietes als Konzentrations- und Zwangsarbeitslager Ort schwerer Menschenrechtsverletzungen waren. Die Bedeutung dieser historischen Orte gilt es zu schützen.
II. Ergebnisse der Thematischen Werkstatt vom 08.06.2015
(1) Wissenschaftliche Aufbereitung und Dokumentation der Geschichte des Tempelhofer Feldes und des Flughafens Tempelhof
Die vielfältige Geschichte des Tempelhofer Feldes und des Flughafens Tempelhofes bedarf einer intensiven historisch-wissenschaftlichen Aufarbeitung. Schwerpunkte bilden dabei die Zeit des Nationalsozialismus (Bau Flughafengebäude, KZ Columbiadamm, Zwangsarbeiterlager, Rüstungsindustrie § 3 Abs. 5 ThFG) sowie die Nachkriegszeit (Luftbrücke, Nutzung durch alliierte Streitkräfte, „Tor nach Westen“ etc.). Ebenso zu berücksichtigen sind jedoch auch die Zeit seit dem Mittelalter, die vielfältige Nutzung vor dem Bau des Flughafens (Exerzierfeld und intensive Nutzung für Freizeit, Erholung und Sport sowie Kleingärten bereits im 19. Jahrhundert), die jüngste Geschichte mit der Öffnung des Feldes und die beiden Volksentscheide zum Tempelhofer Feld. Um die unterschiedlichen Aktivitäten und Forschungen zur Geschichte zu vernetzen, wird – neben dem bestehenden Runden Tisch – eine Geschichtswerkstatt vorgeschlagen (bürgerschaftliches Engagement). Zur Konkretisierung der Leitlinien und Inhalte im EPP wird eine selbstorganisierte Arbeitsgruppe Geschichte und Gedenken eingerichtet, die regelmäßig in der Zollgarage tagt und bis September
2015 Vorschläge für die weitere Diskussion erarbeitet Termine unter Veranstaltungen.
(2) Das Tempelhofer Feld ist als ein bedeutender Berliner Geschichts- und Gedenkort in Zusammenhang mit dem Flughafengebäude zu entwickeln.
Die vielfältige Geschichte soll in ihrer gesamten Bandbreite sicht- und erlebbar gemacht werden. In einer zukünftig zu erarbeitenden Konzeption für die Entwicklung des Flughafengebäudes sind Geschichte und Gedenken angemessen zu verankern, dies betrifft insbesondere auch die Zeit des Nationalsozialismus (siehe (3)). Bei der weiteren Planung des Geschichtspfads auf dem Dach des Flughafengebäudes, der den Besucherinnen und Besuchern einen Überblick über die historischen Nutzungen bieten wird sollte eine Einbindung der Bürgerinnen und Bürgern sowie Expertinnen und Experten erfolgen. Für die Nachkriegsgeschichte ist im Zusammenhang mit der geplanten Ansiedlung des Alliiertenmuseums im Flughafengebäude ein Konzept zu entwickeln, wie diese Phase auch auf dem Tempelhofer Feld anschaulich gemacht werden kann. Weitere konzeptionelle Überlegungen hängen davon ab, ob im Flughafengebäude auch z.B. ein Flugmuseum und/oder ein Museum des Kalten Krieges eingerichtet werden. Für den Entwicklungs- und Pflegeplan sind bis Herbst 2015 konkrete Leitlinien zu entwickeln, wie verschiedene Orte auf dem Tempelhofer Feld für die Darstellung der Geschichte genutzt werden können (u.a. auch Bereich des Alten Flughafens, frühere Sportfelder an der Oderstraße, ehemalige Kleingärten im Süden).
(3) Gedenkort Zwangsarbeit und Rüstungsindustrie im Dritten Reich
Grundsätzlich unterstützt wird die einstimmige Forderung des Runden Tisches „Historische Markierungen Tempelhofer Feld“ für einen Erinnerungs- und Informationsort „Tempelhofer Feld/ehemaliger Flughafen Tempelhof“ zur weiteren Auseinandersetzung mit der Geschichte des Flughafens während der NS-Zeit, der NS-Zwangsarbeit auf dessen Gelände sowie der Geschichte des Konzentrationslagers Columbia-Haus (vgl. Sachstandsbericht des Runden Tisches vom Juli 2014) Auf dem Tempelhofer Feld sollen als Gedenkort für die Zwangsarbeiterlager der NS-Zeit insbesondere die Flächen am Columbiadamm entwickelt werden, auf denen diese verortet waren. Dafür ist ein Gestaltungskonzept unter Einbindung des Soft- und des Baseballfeldes und der weiteren bestehenden Nutzungen partizipativ zu entwickeln, die Leitlinien und die weiteren Planungsschritte dafür werden im EPP festgelegt. Es besteht breiter Konsens, dass die derzeitige Beachsportfläche zu Gunsten von z.B. archäologischen Fenstern zu den Fundamenten der Zwangsarbeiterlager verlegt werden soll. Zur temporären Ausstellung von Funden aus den bisherigen Grabungen wird vorgeschlagen, dafür die Mülltonnenwaschanlage zu nutzen. Zwingende Voraussetzung für ein trag- und konsensfähiges Gestaltungskonzept am Columbiadamm ist, dass im Flughafengebäude ausreichend Raum für das Gedenken an die Verbrechen im Dritten Reich zur Verfügung gestellt wird. Bei der weiteren Planung für das Tempelhofer Feld sind die weiteren Orte der NS-Zwangsarbeit (u.a. am Tempelhofer Damm) und Rüstungsindustrie (Flughafengebäude, Alter Flughafen) auf dem Feld zu berücksichtigen (z.B. archäologische Fenster, historische Markierungen, geeignete Hinweise). Als Grundlage für die weiteren Planungen werden die Standorte in der Bestandskarte dargestellt, eine Konkretisierung erfolgt durch die Arbeitsgruppe Geschichte und Gedenken.
(4) Bildungskonzept Geschichte und Gedenken
Die bereits bestehenden Führungen und Infoangebote zur Geschichte des Tempelhofer Feldes sollen für diverse Zielgruppen weiterentwickelt werden. Die bereits vorhandenen Infostelen und Infotafeln sollen darin eingebunden werden. Dazu ist ein Bildungskonzept Geschichte und Gedenken zu entwickeln, welches insbesondere aufzeigt, wie sich Bürgerinnen und Bürger und einzelne Gruppe in diesem Bereich engagieren können (z.B. Führungsangebote, Entwicklung Geschichts-App (einschl. Geoinformationssystem), Geo-Caching, Angebote für Schulen etc.).
Anmerkung: Dies ist keine Aufgabe des EPP, dieser formuliert nur sinnvolle Rahmenbedingungen dafür.
(5) Denkmalschutz und Konversionsflächen: Die im Zuge der Flughafennutzung versiegelten Flächen stehen unter Denkmalschutz und dem Schutz des ThFG. Ebenso sind die Fundamente der Zwangsarbeiterlager etc. grundsätzlich als Bodendenkmäler geschützt. Hinsichtlich der Entsiegelung von einzelnen Flächen als Konversionsflächen für durch Nutzungen in Anspruch genommene Wiesenflächen im Äußeren Wiesenring (vgl. ThFG) besteht Abstimmungsbedarf mit den Denkmalschutzbehörden – dies erfolgt auf Grundlage von konkreteren Entwicklungsvorstellungen im September 2015. Geklärt werden muss dabei auch die Vereinbarkeit von Planungen auf den versiegelten Flächen im äußeren Wiesenring z.B. für Sportflächen mit dem Denkmalschutz bzw. die besonderen Anforderungen des Denkmalschutzes und des Schutzes des Landschaftsbildes an die Gestaltung von solchen Flächen.
(6) Zum Vorschlag, den Flughafen und das Tempelhofer Feld als UNESCO-Weltkulturerbe zu sichern, erfolgt bis Herbst 2015 eine Erläuterung durch SenStadtUm, warum dies nicht den Kriterien der UNESCO entspricht.
(7) Der Online-Vorschlag eines begehbaren Flugzeugs auf dem Feld (ggf. kombiniert mit einem Cafe) stößt auf Ablehnung. Abgesehen vom Problem des Vandalismus ist es insbesondere im Sommer (Aufheizung) und im Winter kaum oder nur mit sehr hohem Aufwand nutzbar.
(8) Harald Juhnke Weg: Der medial stark präsente Online-Vorschlag zur Errichtung einer 2,5 Meter langen Straße in S-Form zu Ehren von Harald Juhnke wird einhellig abgelehnt. Auf dem Feld sind keine Straßenbenennungen vorgesehen. Zudem gibt es keine direkte Verbindung Harald Juhnkes zum Tempelhofer Feld. Für das mit dem Vorschlag geäußerte Bedürfnis, stärker an (West-) Berliner Persönlichkeiten zu erinnern, sollten geeignetere Orte in Berlin gefunden werden.