Konsens - Dissens
Konsens und Dissens
Zum allgemeinen Gebrauch möchte ich einen Überblick über die benutzten Begriffe Konsens und Dissens geben, speziell zur nächsten Veranstaltung zum Verfahren.
Konsens [lat.] Allg.: Übereinstimmung, übereinstimmender Meinung sein, Zustimmung geben. Spez.: Da die Interessenvielfalt in den pluralistischen Demokratien ein hohes Maß an Verhandlung und Abstimmung erfordert, bezeichnet *Konsens eine der beiden zentralen Strategiemöglichkeiten (Konsens - Strategie, auch weiter unten das SK-Prinzip), um zu (Verhandlungs-)Ergebnissen und politischen Entscheidungen zu gelangen. Der Konsens (Betonung auf der zweiten Silbe) bedeutet die Übereinstimmung von Personen hinsichtlich einer beschreibbaren Thematik ohne verdeckten oder offenen Widerspruch.
-> Konsens: 100 – 90 % aller Beteiligten stimmen zu oder alle minus *einem (Evelyn Bodenmeier).
Dissens [lat.] = Nichtübereinstimmung; voneinander abweichende Meinung, die vorerst nicht zu beschreibbaren Thematik ohne verdeckten oder offenen Widerspruch einer Meinung führen.
-> Dissens: 50 – 60 (65) % aller Beteiligten stimmen zu
-> Dazwischen: zwischen 60 (65) % und 90 (85) % aller Beteiligten stimmen zu. Wie kann man mit fairen Mitteln eine Veränderung der Stimmenverhältnisse bewirken? Die Beantwortung dieser Frage wird wohl zu Beginn eine häufig auftretende Konstellation sein, hier wird entscheidend sein, ob wir den Vermittlungskünsten der Mediatorin Evelyn Bodenmeier vertrauen können.
Konsens als Ziel von Gruppenentscheidungen Um einen Konsens erreichen zu können, müssen alle Personen die Möglichkeit haben, ihren Widerspruch gegen die Entscheidung zu äußern. Das bedeutet noch nicht gleichzeitig eine erkennbare hohe Zufriedenheit mit der Entscheidung: Zufriedenheit und Zustimmung sind nicht nur Zeichen fehlenden Widerstands, sondern völlig unterschiedlich geartete psychische Qualitäten. Selbst in einer Einzelperson können Zustimmung und Ablehnung für eine Alternative gleichzeitig vorhanden sein: Die Person kann durchaus ambivalent empfinden. Aus einem Ringen oder nicht vorhandenem Widerstand auf eventuelle Zustimmung - oder umgekehrt - zu schließen, ist nicht möglich. Dementsprechend wird bei Entscheidungen nach Konsensprinzip die Position der einzelnen Gruppenmitglieder zumeist noch genauer abgestuft und erfasst: • Das Mitglied steht hinter der Entscheidung und trägt sie vollinhaltlich mit. • Das Mitglied trägt die Entscheidung mit, äußerst aber Bedenken dazu, welche zumeist protokolliert werden sollten. • Das Mitglied enthält sich, es überlässt den anderen die Entscheidung und trägt sie mit. • Das Mitglied kann die Entscheidung nicht mittragen, äußert schwere Bedenken (die zumeist protokolliert werden müssen). Es verzichtet aber auf einen formalen Einspruch, um die Entscheidungsfähigkeit der Gruppe nicht zu behindern. • Das Mitglied steht beiseite. Es kann den Vorschlag weder zustimmen noch mittragen. Es möchte jedoch nicht blockieren und stellt sich deswegen abseits. • Das Mitglied erhebt formalen Einspruch gegen den Entscheid (vgl. Veto). Wenn dieser Fall für nur ein einziges Gruppenmitglied zutrifft, dann gibt es keinen Konsens in der Gruppe. In der Praxis kann die Schranke für einen Dissens zuweilen höher gesetzt werden, um Entscheidungen im Konsens zu ermöglichen. Inwieweit die einzelnen Gruppenmitglieder ihre Motive authentisch vertreten, kann von außen nur unzureichend beurteilt werden. Fehlende Aufrichtigkeit ist mit einem rudimentären Konsensbegriff durchaus vereinbar. Soll bei den Gruppenmitgliedern hinsichtlich der in Frage stehenden Thematik Aufrichtigkeit vorausgesetzt werden, dann ist dies eine Übereinstimmung, die zuvor ebenfalls im Konsens gefunden werden kann.
Entscheidungsmethoden Methoden der Gleichbehandlung • Die Suche nach dem allgemeinen Konsens in der Gruppe erfolgt zumeist durch intensive Diskussionen unter den Gruppenmitgliedern. • Entscheidungen nach dem Konsensprinzip: Zuerst wird der allgemeine Konsens gesucht. Falls dieser nicht gefunden werden kann, werden Konvergenzmethoden (Übergangs-) eingesetzt, um den verbleibenden Restwiderstand zu reduzieren (z. B. durch Mediation) oder ihn einvernehmlich schließlich zu übergehen. • Entscheidungen, für die nur die Zustimmung in der Gruppe ausschlaggebend ist: Der Widerstand der Gruppenmitglieder spielt bei diesen Verfahren keine Rolle. Es wird nur die individuelle Zustimmung aller Gruppenmitglieder zu verschiedenen Entscheidungsalternativen erhoben und daraus die kollektive Zustimmung der Gruppe ermittelt. Zu diesem Zweck gibt es unterschiedliche Aggregationsverfahren, welche zu durchaus verschiedenen Ergebnissen führen können: o Die Entscheidung nach Mehrheit: Falls dabei keine Entscheidungsalternative die absolute Mehrheit erhält, werden oft mehrere Wahlgänge durchgeführt, damit schlechter gereihte Alternativen sukzessive ausgeschlossen werden (runoff methods; z. B. „Stichwahl“). o Die Vorzugswahl (Ranked Voting) in verschiedenen Ausprägungen: Dabei werden die einzelnen Entscheidungsalternativen von jedem Beteiligten entsprechend seiner individuellen Präferenz gereiht und daraus – auf für jede Ausprägung spezifische Art – eine kollektive Reihung ermittelt (z. B. "Schulze-Methode"). o Die Bewertungswahl (Range Voting): Dabei wird jede Alternative von jedem Abstimmenden entsprechend seiner individuellen Präferenz mit Zahlen (Punkten) aus einem vorgegebenen Intervall, zum Beispiel 0 bis 99 oder 1 bis 10 bewertet, wobei höhere Werte höheren individuellen Präferenzen entsprechen. Danach werden die vergebenen Werte für jede Entscheidungsalternative summiert. Die Entscheidungsalternative mit der höchsten Summe erhält in der Gruppe die größte Zustimmung und gilt dementsprechend als „Gewinner“. Entscheidungen durch Punktewertungen sind vor allem aus dem Sport bekannt. Methoden der Gewichtung Dabei geht es zumeist weniger um Inhalte als um den Erhalt bzw. die Verschiebung der Gewichtungen unter den Beteiligten. Dies spiegelt sich dann auch oft unter den Resultaten: • Der faule Kompromiss: Aus Gründen der Machtbalance wird unter den Gegenspielern ein Ausgleich herbeigeführt. Das zeigt sich in Gruppen häufig nach heftigen und langen Konflikten. Dann gibt entweder eine Konfliktpartei nach, damit man endlich zu einer Entscheidung gelangt. Bei nächstbester Gelegenheit wird von dieser Konfliktpartei dann ein Vorrecht zur Entscheidung eingefordert. Oder es geben beide Parteien nach, um sich durch Abtausch näher zu kommen. • Das Gewinner-Verlierer-Spiel: Hier setzt sich derjenige durch, der am überzeugendsten auftritt, die anderen aber nicht zum Zuge kommen lässt. Er bringt seine Gegner mittels Manipulation oder durch Machtmittel zum Schweigen und zur Resignation.
Pluralismus 1) Pluralismus ist ein philosophisches Weltbild, das davon ausgeht, dass die (von Menschen erkennbare) Wirklichkeit nicht als ein einziges Ganzes beschrieben werden kann, sondern vielmehr aus (unüberschaubar) vielen einzelnen Fakten, Dingen, Ideen besteht, die in sehr unterschiedlicher Weise zueinander in Beziehung stehen bzw. gesetzt werden können. Vielfalt und die partiellen Beziehungen zwischen den Teilen sind daher Ausgangspunkt und Grundbedingung menschlichen Erkennens und Handelns. (Ggt.: Monismus)
2) Pluralismus ist ein zentrales Leitbild moderner Demokratien, deren politische Ordnung und Legitimität ausdrücklich auf der Anerkennung und dem Respekt vor den vielfältigen individuellen Meinungen, Überzeugungen, Interessen, Zielen und Hoffnungen beruhen. Keine (politische, religiöse o. ä.) Instanz darf in der Lage sein, (allen) anderen ihre Überzeugung etc. aufzuzwingen, d. h. die prinzipielle Offenheit pluralistischer Demokratien zu gefährden. Grundlage des politischen und sozialen Zusammenlebens fortschrittlicher Gesellschaften ist daher das pluralistische Prinzip der Vielfalt (nicht das der undemokratischen Einfalt).
3) Pluralismus bezeichnet a) ein politisches System (z. B. USA), in dem die Anhäufung politischer (auch staatlicher) Macht dadurch beschränkt wird, dass überall dort, wo Macht entsteht, Raum für Gegenmacht vorhanden ist oder geschaffen wird; b) einen politikwissenschaftlichen Ansatz, der staatliches Handeln als Resultat des politischen Wettbewerbs und Drucks von Interessengruppen auf die Regierung ansieht; c) ein politisches System (z. B. in D), das die offene Auseinandersetzung zwischen den politischen, sozialen und wirtschaftlichen Interessen(-verbänden, -parteien), aber auch die Konsens- und Koalitionsmöglichkeiten zwischen ihnen als einen wesentlichen Teil der politischen Willensbildung ansieht.
Schluss Beim Durcharbeiten wünsche ich viel Vergnügen – Bis zum Tag der Debatte zu diesem Thema. Auf Vorschlag von Gerda Münnich und Thomas Bramm wurde mir noch die Internet-Adresse www.sk-prinzip.eu weitergeleitet. Dort wird speziell nochmals das Systemische Konsensieren dargestellt mit verschiedenen Hilfsmitteln (You Tube). Nach eigener Beschäftigung mit dem Geschriebenen erscheint es mir interessant genug, sich damit weiter zu beschäftigen.
hus 2015/02/06
hansulrich
Hallo Sportbernd, natürlich ist die Abstimmung 70:30 eindeutig im Sinne von Mehrheitentscheidungen. Aber dieses ist nicht mein (unser) Anspruch im Sinne eines konsuellen Verfahrens. Bei ausschließlicher Betrachtung der Mehrheit (70), geht uns der Blick für die nicht kleine Minderheit (30) verloren. Vielleicht solltest vor deiner sehr schnellen Frage zunächst mal den dazu gehörigen Text auch lesen, insbesondere den nicht sehbaren unter www.sk-prinzip.eu.
Denn wir folgen bisher dem Konsensprinzip Hansulrich